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Balancieren - eine Einladung zur Übergegensätzlichkeit

Die titelgebende These wird an einer wirkungsästhetischen Fallstudie entwickelt. Deren Ausgangspunkt ist die vom Wiener Designer sha. entwickelte sog. AlphaLiege, ein flügelförmiges, 225 cm langes und 90 cm breites Kunstmöbel. Mit einer sehr geringen Auflagefläche schwebt das Objekt förmlich über dem Boden, für die darauf Liegenden ergibt sich ein starkes, doch ergonomisches und nicht als ausgeliefert erlebtes Rücklehnen mit einem horizontalen Gleichstand von Knien und Augen. Der Schwerpunkt der Liege ist so gesetzt, dass diese bei minimaler Gewichtsverlagerung, für welche schon die normale Atembewegung genügt, im Millimeterbereich zu schwingen beginnt. Diese Schwingung wird ergänzt durch eine leichte Wärme und Vibration, die direkt von der Liege ausgehen. Durch eine entsprechende Lautsprechertechnologie wird der gesamte Liegencorpus zu einem Klangkörper, der von eigens für diesen Klangkörper hergestellten Kompositionen bespielt wird, welche die Dreidimensionalität der Hörerfahrung (Klangwolke) besonders zur Geltung bringen. Das visuelle Angebot ist karg gehalten: Die Liege emaniert blaues Licht in einem Farbtemperaturverlauf von weißblau in der Mitte bis schwarzblau an den Flügelspitzen. Um die Wirkung zu unterstützen, wird sie fallweise in strukturlose Rauminstallationen eingebettet - Sichtfeld-Angebote, die an die vom Gestaltpsychologen Wolfgang Metzger schon 1930 beschriebenen Ganzfelder bzw. an James Turells Ganzfeldsphären erinnern. In dem Vortrag stelle ich eine qualitative Wirkungsstudie über den "Aufenthalt" auf diesem Objekt vor. Interessant dabei ist unter anderem, dass sich die Balancebewegung der Liege, wiewohl sie von den liegenden Personen oft gar nicht bemerkt wird, auf eine typische Weise in die Bilder und Stimmungen einschreibt, von denen diese berichten. Als wären sie ein Echo auf das schwingende Möbel, untertunneln diese Bilder und Stimmungen gewohnte Dichotomien des Denkens und Erlebens: Sie weisen gleichzeitig ‘zurück’ bzw. ‘nach unten’ ins uterine Getragensein als auch ‘nach oben’ in ein anstrengungsloses Fliegen, sie berichten von einem - notabene therapeutisch hochinteressanten - Zustand von Frieden und Angst, von einer weltwachen Entspannung - Zustände, für deren Beschreibung ich in der Gesamtschau den Begriff der Übergegensätzlichkeit sondieren möchte.