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Die psychologischen Abläufe der menschlichen Sinneswahrnehmung werden in den letzten Jahrzehnten immer mehr gesehen 1. unter dem Blickwinkel ihrer körperlichen Bestimmtheit und 2. in ihrer Abhängigkeit von unseren irdischen, physikalischen Gegebenheiten. Zum ersteren gehört z.B. unser Gleichgewichtssinn und zum letzten die Gravitation. Aus dem Blickwinkel der Wahrnehmungspsychologie soll hier das ursächliche Ineinanderspielen von Schwerkraft, aufrechtem Gang, Gleichgewichtsinn und der durch diese drei Gegebenheiten bestimmten Wahrnehmung der Symmetrie betrachtet werden. Daraus entsteht eine Gesamtschau des Bereiches "Symmetrie und Asymmetrie", die bisher als Ordnungsschemata in der Kunst diametral definiert, ja sogar z. T. wie feindliche Brüder behandelt wurden. Die in der Natur sichtbare Symmetrie wird hierfür untersucht und dann vor allem ihre formale Wirkung auf das betrachtende Subjekt. Das brisante Problem von subjektiver und objektiver Ästhetik soll dabei nicht - wie meistens - umgangen, sondern nur gestreift werden.

Von Heraklit und Goethe ableitend wird eine Erklärung für das bekannte Zwingende in der optischen Wirkung der Symmetrie versucht. Und mit einer Wertung, was bisher noch selten ist, wird deutlich, welche und aus welchen gestaltpsychologischen Gründen z.B. einige Architekturformen positive und andere wieder auffallend oft negative Empfindungen beim Anblick auslösen. (NS-Architektur und andere Architektur) -

Ein "Gleichgewichtsbewusstsein" hängt zusammen mit einem stets latent vorhandenen Drang zum Auswiegen. Und dieser Drang liegt beim Erschaffen sowohl von symmetrischen als auch von asymmetrischen Kunstwerken vor, es herrscht ein und dasselbe Prinzip, das vom Gleichgewichtsinn herrührt, so dass es schließlich zu einer Versöhnung zwischen den seit Jahrhunderten "feindlichen Brüdern" in der bildenden Kunst kommt.