[Zurück zur Programmübersicht]

Balance-Akt. High Heels als Erlebensplattform zwischen Körper, Leib und Betrachter

Zwischen der fast mystifizierenden Verklärung hoher Absätze einerseits und ihrer Verdammung als Sinnbild weiblicher Diskriminierung andererseits liegt eine weit größere Fallhöhe als jene zehn oder mehr Zentimeter, welche die Trägerin von High Heels vom Boden erheben.
Seit sich der Mensch aus der Natur heraus und in die Kultur hinein begeben hat, (be)tritt er die Erde zumeist nicht mehr mit (bloßen) Füßen, sondern in Schuhen und durch deren Sohlen getrennt von seinem Untergrund. Dass diese Balance zwischen Distanz und Verbundenheit beileibe nicht nur zu seinem physischen Schutze geschieht, liegt auf der Hand. Sein Gleichgewicht muss er dabei nicht nur im aufrechten Gang wahren, sondern ebenso in der Verortung seiner selbst in der ihn umgebenden Welt. Als Gehprotese und Ausdrucksmedium stehen Schuhe im Zentrum einer immensen Ausarbeitung von Formen- gleichermaßen wie von Körperprache. Sie bekleiden den Fuß nicht nur, sondern prägen den gesamten Gang der Dinge und im doppelten Wortsinn die Haltung, mit der wir unserer Welt begegnen. Damit wirken sie vom extremsten und dezentralsten Punkt aus unmittelbar auf den Körper und seine Befindlichkeit ein, und zwar bis tief in sein innerstes Erleben.
In demselben Maße, da Feministinnen Stilettos & Co zum patriarchalisch verwurzelten Folterwerkzeug erklären und Orthopäden vor den von ihnen ausgehenden Verletzungsgefahren warnen, lösen Frauenschuhe mit schwindelerregend hohen Absätzen nicht nur auf den Catwalks Begeisterungsstürme aus. Ausgehend von Marcel Mauss’ Überlegungen zur kulturellen Verankerung von Körpertechniken soll deshalb der Frage nachgegangen werden, was hohe Absätze insbesondere für Nicht-Träger(innen) dieses aviatisch-philobatischen Schuhwerks zum (kulturellen) Balance-Akt werden lässt.